Sonia Mikich: "Und willkommen bei MONITOR. Wir haben interessante Geschichten für Sie. Der Überblick: Unverfroren gegen Senioren: Ab 55 auch als Kunden unerwünscht. Muslime in Deutschland. Können sie den Hass und Terror erklären? Go East: Deutsche Unternehmer wollen es billiger als billig.

Sehr alt zu werden - das ist medizinischer Fortschritt, etwas Wunderbares - aber auch ein Angstmacher. Denn noch leisten wir uns das Diktat der Jugendlichkeit. Und demnach ist das Alter schlecht, ein Zustand voller Schwächen und Defizite. Jugendwahn - zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt. Wo Menschen über 50 zum alten Eisen geworfen werden. Manche nennen es Alters-Rassismus.

Caterina Priesner und Ralph Hötte berichten über zunehmende Alters-Diskriminierung bei Geschäftsabschlüssen. Fazit: Ob Banken oder Versicherungen: Senioren müssen draußen bleiben."

Seitdem die Tochter aus dem Haus ist, will Monika Funsch es noch einmal wissen. Gartenarbeit reicht der ehemaligen Personal-Managerin als Lebensinhalt nicht aus. Die 57 jährige Bad Homburgerin hat vor allem eine Idee im Kopf: Eine eigene Firma, eine Agentur für Karriereberatung, speziell aber nicht ausschließlich, für Menschen ab dem 40. Lebensjahr. Um das zu verwirklichen, beantragte sie einen Existenzgründerkredit bei der Commerzbank. Doch dabei erlebte sie eine Überraschung. Sie sprach mit dem Kunden-Chef der Bank über den gewünschten Kredit:

 

Monika Funsch: "Und er erzählte mir auf meine Nachfrage hin: Frau Funsch, wir lehnen Ihr Konzept ab, es tut uns leid. Ein großes Problem ist Ihr Alter. Wissen Sie, wer macht sich auch mit 57 noch selbständig? Diese Aussage traf mich dann schon sehr, also da musste ich erst mal durchatmen, schlucken. Denn bis dahin war das Thema Alter nie ein Thema, und es so direkt gesagt zu bekommen, ist schon sehr hart. Ich frug dann nach, was denn mit meinem Alter zu verbinden sei. Und dann kam für mich der schlimmste Schock, als er mir sagte: Sie könnten ja auch ganz schnell sterben."

Monika Funsch; Rechte: WDR-Fernsehen 2004

Monika Funsch hat lange gebraucht, um zu überwinden, mit welcher Begründung die Bank sie als Kundin ablehnte.

Monika Funsch: "Ich fiel in ein Loch und fing an, über mein Alter, meine Situation nachzudenken: Ja steht dir denn das zu? Wäre es nicht wirklich besser, du würdest resignieren, wie die anderen auch, und brav sein. Ich konnte nicht begreifen, was da plötzlich mit mir passierte oder was mit mir auch gemacht wurde."

Die Commerzbank bestreitet jegliche Diskriminierung, teilt uns aber schriftlich mit, dass das Alter bei der Verweigerung des Kredits eine Rolle gespielt hat.

Wann ist alt zu alt? Diese Frage kann man hier im Kölner Büro gegen Altersdiskriminierung gut beantworten. In der bislang einzigen Anlaufstelle für Altersbenachteiligte - in einem Wohnzimmer einer Privatwohnung eingerichtet - kümmert sich Hanne Schweitzer tagtäglich um immer mehr Beschwerde-Briefe und Mails. Für sie werden die Formen der Ausgrenzung durch das Alter immer irrsinniger.

Hanne Schweitzer, Büro gegen Altersdiskriminierung e.V.: "Die Altersdiskriminierung in Deutschland drückt sich ganz konkret aus bei den Versicherungen. Ganz viele Menschen kriegen z.B. an ihrem 65. Geburtstag den Brief von der Versicherung, dass ihre Unfallversicherung damit obsolet ist mit dem 65. Geburtstag. Weiß kein Mensch, zahlt die 30 Jahre lang, am 65. Geburtstag fliegt er raus."

Mittlerweile ist es schon so weit gekommen, dass Menschen lange vor einem geplanten Geschäft Angst haben, es wegen ihres Alters nicht mehr machen zu können.

Hanne Schweitzer: "Wir bekommen inzwischen sogar Zuschriften von Leuten, die einfach sagen: Ich muss nächstes Jahr diese Hypothek verlängern, und ich weiß nicht, ob ich das kriege, weil ich bin jetzt schon so alt. Also, die Leute haben inzwischen sogar im Vorhinein schon eine gewisse Panik, was mit ihren Bankgeschäften sein wird. Und das ist ganz neu in der letzten Zeit, passiert das."

Solchen Situationen sind Menschen in Deutschland ausgeliefert, da es bei uns keinerlei gesetzlichen Schutz gibt. In Ländern wie Holland oder Belgien gibt es längst Anti-Diskriminierungsgesetze.

Peter Ruhenstroth-Bauer, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: "Wenn Sie fragen, was wir, warum wir hinterherhinken: Wir sind tatsächlich der Meinung, dass gesetzliche Regelungen nur der eine Weg sind. Die gesellschaftliche Debatte und das Bewusstsein sind ganz sicherlich auch genauso wichtig und notwendig."

Reporter: "In Deutschland können heute Menschen aus Altersgründen teilweise keine Geschäfte mehr tätigen, obwohl sie noch völlig fit sind. Das ist der Bundesregierung ja schon seit langem bekannt. Warum ist sie nicht früher aktiv geworden?"

Peter Ruhenstroth-Bauer: "Das ist ein, da besteht die Notwendigkeit, zivilrechtlich, arbeitsrechtlich und in verschiedenen Rechtsgebieten tatsächlich Regelungen zu finden. Darüber sind wir innerhalb der Bundesregierung in der Diskussion, auch mit den Koalitionsfraktionen, wie dieses umgesetzt werden kann. Aber dass das ein Skandal ist, dass jemand, der 50+ ist oder 60+, keine Verträge mehr abschließen kann, das liegt, glaube ich, auf der Hand."

Sonia Mikich: "Wenn diese Skandale doch so auf der Hand liegen, warum unternimmt die Regierung nicht längst etwas, das wirksam dagegen schützt? Andere Länder haben es längst getan."